Im Internet und in der Presse kursieren zurzeit die pauschalen Empfehlungen, "sich abzusichern und Einspruch einzulegen, sobald der Grundsteuerwertbescheid ergangen ist". Das bleibt u.E. jedoch eine Einzelfallentscheidung, die im Zweifel das Mandat treffen muss.
Ein Einspruch ist in jedem Fall geboten/sinnvoll
Sofern ein Bescheid gegen das geltende materielle Recht verstößt (Fehler im Bescheid), weil ein konkreter Sachverhalt nicht korrekt berücksichtig wurde (beispielsweise falsche Flächenangaben, falsches Baujahr), sollte in jedem Fall Einspruch eingelegt werden. Ist eine Fehlerkorrektur mangels einer Korrekturvorschrift der AO im ursprünglichen Feststellungsbescheid nicht mehr möglich ist, kann alternativ auch eine fehlerbeseitigende Fortschreibung (§ 222 Abs. 3 BewG) in Betracht kommen.
Daneben mehren sich begründete Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der neuen Bewertungsvorschriften. Konkret in der Kritik steht:
Zum einen wird aufgrund o.a. Kritikpunkte die Verletzung des sog. Übermaßverbots gerügt.
Nach ständiger Rechtsprechung steht es dem Gesetzgeber zwar grundsätzlich frei zu typisieren, jedoch nur im Rahmen bestimmter Grenzen. Denn auch eine Typisierung, rechtfertigt keine Verletzung des grundgesetzlichen Übermaßverbots im Einzelfall. Insbesondere aber die Möglichkeit, einen niedrigeren gemeinen Wert als nachzuweisen (Öffnungsklausel), wäre hierfür dringend geboten.
Zum anderen wird die Verletzung des rechtsstaatlichen Bestimmungsgebots angeprangert.
Denn die tatsächlichen finanziellen Auswirkungen werden erst nach Festsetzung der Grundsteuer durch die Gemeinden im Jahre 2025 feststehen. Die konkreten Rechtsfolgen lassen sich also heute noch gar nicht absehen, zu diesem Zeitpunkt werden die aktuellen Grundlagenbescheide jedoch bereits bestandskräftig sein.
Das Bestimmtheitsgebot besagt aber, dass der Bürger erkennen muss, welche Rechtsfolgen sein Handeln hat, die entsprechende staatliche Reaktion muss voraussehbar sein. Andernfalls bestünde die Gefahr von staatlicher Willkür.
Bedenken gibt es auch hinsichtlich der (zukünftigen) Einhaltung des Gleichheitssatzes.
Die Berechnung der Grundsteuer beruht z.T. auf Zahlen, die entweder gesetzlich vorgegeben sind (z.B. Bewirtschaftungskosten für ein Mietwohngrundstück) oder aus Fachkreisen beigezogen werden (Bodenrichtwerte).
Gesetzlich festgelegt ist neben den Bewirtschaftungskosten auch die Miete (unterschieden nach dem Bundesland, Gebäudeart sowie Wohnfläche und sog. Mietniveaustufen pro Kommune). Unterscheidungen innerhalb einer Kommune finden dabei nicht statt (nicht einmal in Berlin, Hamburg oder München). Bei der Miete stellt das Gesetz auch nicht auf die konkret zwischen Mieter und Vermieter vereinbarte Miete ab, sondern legt selbst monatliche Nettokaltmieten fest. Hier wird zwar differenziert nach Baujahr und Größe, die gesetzlichen Werte weisen jedoch nur eine geringe Spreizung auf.
Die Festlegung der genannten Parameter birgt dabei das nicht nur geringe Risiko, dass die Realität nicht ausreichende abgebildet ist und zudem notwendige Aktualisierungen unterbleiben.
Für das grundgesetzliche Gleichbehandlungsgebot stellt es insoweit kein Problem dar, wenn alle Grundstücke gleichmäßig unter- oder überbewertet werden. Steigen jedoch die Parameter in einer Region stärker als in einer anderen und bleibt dies durch Aktualisierung unberücksichtigt, liegt eine kurz- bis mittelfristig eine Ungleichbehandlung vor.
Bedenklich in dieser Hinsicht ist auch die Beiziehung der Bodenrichtwerte. Diese werden von lokalen Gutachterausschüssen festgelegt, die diese aus Grundstücksverkäufen ermitteln und in Zonen zusammenzufassen. Hier wird bereits eine Abweichung von insgesamt 60% innerhalb einer Bodenrichtwertzone hingenommen. Mögliche Abweichungen vergrößern sich an den Grenzen zu benachbarten Bodenrichtwertzonen, da eine Grenzziehung in den wenigsten Fällen zwingend sein dürfte. Statistische Probleme zeichnen sich auch dort ab, wo nur wenige Objekte vorhanden sind, die zum Vergleich herangezogen werden können. Sind diese Objekte gleichzeitig sehr unterschiedlich, ist die statistische Grundlage der Bodenrichtwerte äußerst schwach.
Vereinzelte Bodenrichtwerte werden zudem ausdrücklich nicht begründet, worin ein erhebliches Transparenzdefizit liegt.
Ebenso wird die Qualität der Bausubstanz nur in Form des Baujahrs berücksichtigt. Solche Typisierungen sind zwar zulässig, dennoch bewirken die neuen Regeln, dass eine marode Bausubstanz unberücksichtigt bleibt. So wird auch für eine nahezu verfallene Immobilie immer noch eine Restnutzungsdauer von 24 Jahren (Wohnimmobilien) angenommen, die nicht ohne eine Abbruchverfügung unterschritten werden kann.
Einen ersten Anhaltspunkt für die Erwägung gegen den Grundsteuerwertbescheid vorzugehend, bietet i.ü. der neue Grundsteuermessbetrag: durch eine angepasste Umrechnung von Grundsteuerwert in Messbetrag soll letzterer bei im Vergleich zum Einheitswert höheren Grundsteuerwerten dennoch ungefähr gleichbleiben, und damit auch - konstante Hebesätze vorausgesetzt - die spätere Grundsteuer "aufkommensneutral" sein, also nicht signifikant steigen.
Wir haben diesbezüglich jedoch die Erfahrung gemacht, dass der Messbetrag in vielen Fällen niedriger ist, als bei alter Rechtslage oder nur unwesentlich steigt.
In Einzelfällen kann es aber auch sein, dass der alte Einheitswert fehlerhaft war und eine Steigerung des Messbetrags durchaus begründet ist.
Bei einem materiellen Fehler im Bescheid (Abweichung von der Erklärung) sollte natürlich ein Rechtsbehelf eingelegt werden und der Fehler konkret im Rahmen des Einspruchs benannt werden. Sofern tatsächlich begründet - dem Finanzamt also ein Fehler unterlaufen ist - dürfte sich der Einspruch relativ schnell erledigen, ggf. durch Abhilfe des Sachbearbeiters und Erlass eines korrigierten Bescheids.
Bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der neuen Rechtslage besteht natürlich ebenfalls die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, die Bescheide durch einen Einspruch also zunächst offen zu halten um sich an etwaige Klageverfahren anzuhängen können (oder zur Not selbst zu klagen). Der Einspruch lohnt aber i.d.R. nur dann, wenn konkrete Bedenken bestehen, denn Voraussetzung für den Erfolg des Einspruchs ist immer eine Verletzung in eigenen Rechten. Das ist aber nur dann der Fall, wenn man individuell benachteiligt wird.
Wir würden in einem solchen Fall trotzdem zunächst eine zeitaufwändige und kostenintensive Bearbeitung des Einspruchs, solange wie möglich, in der begründeten Annahme hinauszögern, dass kurzfristig weitere Musterverfahren (bei Finanzgericht oder Bundesfinanzhof) anhängig werden, auf die man sich für eine Verfahrensruhe berufen kann. Dann bliebe der Fall offen, ohne dass er weiter bearbeitet werden muss.
Die Aussicht auf den Erfolg des Einspruchs wegen potentieller Verfassungswidrigkeit, der auf ein Klageverfahren vor einem Finanzgericht gestützt wird, ist derzeit leider schwer zu beurteilen (nur mit Zustimmung des Finanzamts, § 363 Abs.2 S.1 AO). Erst wenn eine Klage vor dem Bundesfinanzhof oder vor Bundesverfassungsgericht anhängig ist, ruhen Einspruchsverfahren automatisch (Zwangsruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO).
Zum jetzigen Zeitpunkt ist aber noch nicht absehbar, ob und ab wann es (weitere) Klagen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit geben wird. Zudem ist nicht einschätzbar, welche Erfolgsaussichten entsprechende Klagen hätten. Denn sowohl volkswirtschaftliche als auch politische Gründe spielen bei der Entscheidung durchaus eine Rolle. Das Besteuerungsaufkommen der Gemeinden wäre durch eine erneute Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Bewertungsvorschriften ernsthaft gefährdet. Auch die Abwägung einer solchen Folge muss in die Urteilsfindung eingebunden werden. Ist ist zudem unwahrscheinlich, dass die neue Rechtslage vom BVerfG komplett verworfen wird. Ebenso unsicher ist, ob das Bundesverfassungsgericht eine etwaige Nichtigkeit der neuen Rechtsgrundlagen rückwirkend oder aber nur für die Zukunft anordnet. Das bisherige Grundsteuerrecht wies eklatante Mängel auf – dennoch erlaubte das BVerfG seine Fortgeltung für eine Übergangsfrist von etwa sechs Jahren.
Ebenfalls nicht einschätzbar ist, wie schnell die Finanzverwaltung über einen Einspruch entscheidet. Aus verschiedenen (zuverlässigen) Quellen hört man zwar, dass die FAe die Einsprüche nicht bearbeiten. Kollegen und wir selbst haben aber auch bereits die gegenteilige Erfahrung gemacht.
Möglicherweise wird der Einspruch zurückgewiesen, bevor weitere Klagen anhängig sind, auf die man eine Verfahrensruhe stützen könnte. In diesem Falle müsste konsequenterweise selbst (kostenpflichtig) Klage erhoben werden, andernfalls hätte man nach Ablauf der Klagefrist seinen Rechtsschutz verwirkt (wenn die Einspruchsentscheidung bestandskräftig wird).
Empfehlenswert ist ein Einspruch, wenn sich eine Benachteiligung aus mindestens einem der o.g. skizzierten Aspekte ergibt. Addieren sich mehrere Nachteile, so erhöhen sich die Chancen auf einen Erfolg.
Ein Einspruch muss aber in jedem Einzelfall gesondert geprüft und abgewogen werden. Das damit einhergehende Risiko einzugehen, kann nur das Mdt. treffen.
Das Einspruchsverfahren löst im Gegensatz zu einem Klageverfahren i.ü. keine Verwaltungskosten aus. Bitte beachten Sie aber, dass die Kosten für ein solches Rechtsbehelfsverfahren nicht mit der Vergütungsvereinbarung zur Erklärung abgedeckt sind. Wir werden bei Beauftragung im Zweifel nach StBVV abrechnen, unabhängig vom Erfolg des Verfahrens.
Für Rückfragen und eine individuelle Beratung stehen wir natürlich gerne zur Verfügung.